Pferde im Schnee

 Viele Pferde stehen auch im Winter tagsüber auf der Koppel. So mancher Spaziergänger macht sich darüber Gedanken, ob das Tierquälerei sein könnte.

 

Es ist Winter, kalt und ungemütlich. Oft sind nur sie unterwegs: Hunde und ihre Besitzer. Auch die Begegnungen mit Wildtieren werden seltener. Jeder, der kann, hat es sich irgendwo in einem Unterschlupf gemütlich gemacht. Nicht-Hundehalter sitzen zu Hause neben der Heizung, Kaninchen in ihrem Bau. Nur ihnen begegnet man beim Spaziergang, sie sind scheinbar immer da: Pferde. Auf einer Koppel stehen sie, lassen die Köpfe hängen und dösen im Regen oder Schneegestöber. Der Regen tropft von ihrer Mähne, die Bahnen des Regenwassers ziehen Spuren auf ihrem Fell. Bemitleidenswert sehen sie aus. Jeden Abend stehen sie hier, im Sommer zusam­mengedrängt, scheuchen sich gegenseitig mit ihren Schweifen den Fliegen von den Augen, im Winter jeder für sich allein. Und dann sind sie auch noch schmutzig. Ein Bild des Jammers.

Die müssen doch rein, die frieren

„Wenn ich jedes Mal fünf Euro bekommen hätte für diesen Satz, könnte ich mich zur Ruhe setzen." Kerstin J. ist manchmal ein bisschen genervt, aber andererseits ver­steht sie die Leute und findet es auch gut, wenn sie mit ihr reden, statt einfach wei­terzugehen. „Gehört ja auch ein bisschen Courage dazu", sagt sie. Nur beschimp­fen lassen möchte sie sich nicht. Auch das kommt immer wieder vor. Oder dass Menschen meinen, ihre Pferde wären kurz vorm Verhungern. „Die schleppen in Tüten Brot, aber auch Gemüseabfälle, an. Letz­tens hat einer alte Kohlblätter über den Zaun geworfen, ein anderer, zugegeben im Sommer, das Schnittgut aus seinem Rasenmäher. Sie hatten es gut gemeint, aber beides hätte ein Pferd töten können." Und wie reagiert man da? „Ich hab gesagt, ich möchte ihn mal sehen, wenn ich meine Abfälle vom Teller für seinen Hund über den Gartenzaun werfe, natürlich nett und freundlich." Kohl und sämtliche verwandte Pflanzen, aber auch nicht fachgerecht getrocknetes Brot und Rasenschnittgut können schwere Koliken auslösen, die tödlich enden können, in jedem Fall aber mit großen Schmerzen für das Pferd und hohen Kosten für die Behandlung verbunden sind.

Das Pferd und seine Bedürfnisse

Pferde brauchen viel Licht, frische Luft und Bewegung, sie sind Steppentiere, die auf den Wegen zwischen Wasser und Wei­degründen große Strecken zurücklegen. Dieses Erbe schlummert auch noch in jedem Hauspferd. Es hat sehr große Lun­gen, die anfällig sind für Infektionen und schlechte Luft (Stallmief). Doch nicht nur darum ist der Aufenthalt an der frischen Luft das Beste für ein Pferd. Als Herdentier braucht es den sozialen Kontakt zu Artge­nossen und die Möglichkeit zur Interaktion, die im Stall kaum oder gar nicht gegeben ist. Der Aufenthalt im Freien mit anderen Pferden hat aber noch weitere positive   Effekte: Das Sonnenlicht fördert die Bildung bestimmter Vitamine, die Klimareize stärken das Immunsystem, die Bewegung fördert die Gesundheit des Bewegungsapparates. Auch das Verdauungssystem des Pferdes ist sehr ausgeklügelt und hochspezialisiert. Das bedeutet aber auch, wie bei der Lunge, dass es sehr anfällig ist. Falsches Futter, ein Übermaß bestimmter Komponenten in der Ration, aber auch zu wenig Bewegung können Koliken auslösen. Sie sind die j häufigste Todesursache beim Pferd. Schon darum ist der ganzjährige Weidegang eigentlich für Pferde ein Muss. Denn selbst wenn der Besitzer sein Pferd jeden Tag eine Stunde reitet, würde dies ansonsten bedeuten, dass es die restlichen 23Stunden des Tages in einer Box eingesperrt ist für die Vierbeiner eigentlich eine Zumutung. Da haben es die Kollegen schon besser, die jeden Tag hinaus dürfen.

Aber: Nicht jede Hütte im Matsch ist ein Offenstall.

Sollen die Pferde Tag und Nacht drau­ßen bleiben, dann müssen Stall, Auslauf, aber auch die Fütterung angepasst wer­den. Ein Unterstand mit mindestens 6 qm pro Pferd entspricht den Mindestanforde­rungen und ist noch kein Luxus, der Auslauf muss zumindest zum Teil mit einem für die Tiere rutschfesten Untergrund befestigt sein, und jedem Pferd müssen praktisch  jederzeit Heu und Wasser zur Verfügung stehen. Ein windschiefer Bretterverschlag in einem Schlammloch stellt keine artge­rechte Haltung dar. Sind die Pferde einige Stunden tagsüber draußen, bekamen morgens ihr Heu Stall und können sich nun an der frischen Luft ein paar Stunden bewegen, bevor sie am Abend wieder in den Stall kommen, dann halten sie es die paar Stunden, etwa fünf bis sechs, auch ohne Heu aus.

„Die Wüste ist ein kalter Ort, an dem es sehr heiß werden kann"

So lautet ein Sprichwort der Beduinen. Die edlen Araberpferde halten in ihrer Heimat Temperaturschwankungen von 30 Grad und mehr innerhalb eines Tages aus. Nachts kann es im Winter empfind­lich kalt werden, da sind auch mal Minus­grade möglich, während das Thermometer auch dann noch tagsüber auf3oGrad klettern kann. Kaum ein Tier ist so anpassungsfähig wie das Pferd. Und das gilt nicht nur für die sogenannten Robustrassen wie Isländer oder Haflinger. Im Gegensatz zu vielen anderen Tieren können Pferde am ganzen Körper schwit­zen wie wir und sich so Kühlung verschaf­fen. Ist es kalt, stellen sie das Fell auf und schaffen so eine isolierende Luftschicht zwischen Haut und Umgebung. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht es den Pferden, auf fast allen Kontinenten und Klimazonen zu überleben. Es gibt ver­wilderte Hauspferde in den USA (die so genannten Mustangs), in Australien (da heißen sie Brumbies), und sogar in der Wüste Namib in Namibia.

So lebt das Pferd in der Natur

 

Pferde gibt es also fast auf jedem Kontinent. Fast immer handelt es sich dabei um ver­wilderte Hauspferde. Manche Mustang- Populationen in Nordamerika gehen noch auf die edlen Pferde der ersten Spanier auf dem amerikanischen Festland zurück, an­dere, ob in Amerika oder Australien, paaren sich immer wieder mit ausgebüxten oder frei gelassenen Hauspferden. Sie wandern umher zwischen Futtergründen und Wasserstellen und können in kargen Zeiten auch mit extrem wenig auskommen, wie es die Brumbies in den Bergen Victorias tun, wenn meterhoch der Schnee liegt, oder die Kollegen in Queens­land, wenn wegen langer Trockenperioden fast nichts mehr wächst. Pferdefressen etwa 16 Stunden am Tag. Das hat vor allem physiologische Ursa­chen. Das Verdauungssystem ist darauf ausgerichtet, auch aus karger Kost noch das Maximale herauszuholen: Der Darm eines normalen Reitpferdes misst etwa 30 Meter, das Futter ist also entsprechend lang im Verdauungssystem „unterwegs". Dies erlaubt einem Pferd von 500 kg, das keine sportlichen Höchstleistungen er­bringen soll, mit einem Ballen Heu von etwa 8 kg pro Tag zu überleben. Dieses Futter wird in kleinen Portionen über Stunden hinweg aufgenommen, denn im Gegensatz zum Darm ist der Magen mit etwa fünf Litern Fassungs­vermögen sehr klein. Das Pferd darf also nicht zu viel auf einmal fressen, ohne den Magen zu überladen - die Folgen wären fatal, denn was einmal unten ist, muss durch - Pferde können sich nicht überge­ben. Es kommt zu Koliken, Vergiftungen oder gar Rupturen des Magens. Wer also ohne Erlaubnis ein Pferd füttert, setzt es unter Umständen nicht unerheblichen Gefahren aus.

Klima als Herausforderung

 

Die Pferde entwickeln, wenn sie gesund und daran gewohnt sind, draußen zu sein, ein Winterfell, das es ihnen erlaubt, win­terlichen Temperaturen zu trotzen. Zusätz­lich heizen Muskulatur - und Fressen. Bei dem stundenlangen Kauen auf Heu entsteht Wärme. Sie brauchen Klimareize sogar für die körperliche Fitness, die zudem das Immunsystem stimulieren, die Pferde sind widerstandsfähiger gegen Krank­heiten, sie sind abgehärteter als die Kol­legen, die tagein, tagaus in einer engen Box stehen und vielleicht gerade einmal ein oder zwei Stündchen hinausdürfen. Es gibt diesbezüglich nur wenige Aus­nahmen:

Das Pferd ist krank.

Das Pferd ist zu alt.

Checkliste:

Pferde sind auch über Nacht draußen

Wasser, nicht eingefroren

Raufutter (Heu)

Ein ausreichend großer Unterstand als Witterungsschutz (etwa 6 qm pro Pferd)

in der kalten Jahreszeit haben sie ein dickes Fell

Matsch und Dreck halten sich in Grenzen

Die Pferde kommen abends heim dann ist ein bisschen Matsch zu verschmerzen. Nicht jeder hat die Mittel, um dies zu vermeiden, da es mit einem hohen Aufwand verbunden ist, eine Auslauffläche so zu befestigen, dass sie nicht von den schweren Tieren zertrampelt wird. Zudem ergeben sich bei vielen Systemen andere gesundheitliche Risiken. So birgt Beton als Untergrund hohe Rutschgefahr und jeder Sturz kann für ein Pferd sehr gefährlich sein aufgrund der Anatomie und des Gewichtes. Dann lieber ein bisschen Dreck allerdings sollte der Mist abgesammelt werden.


BITTE NICHT FÜTTERN!
Auf keinen Fall sollten Spaziergänger unbefugt füttern, sie können den Pferden damit sehr schaden. Anhand der Checkliste können Sie besser abschätzen, ob es den Pferden an Elementarem fehlen könnte. Wenn Sie den Eindruck haben, dass dies so ist, dann können Sie sich an den Halter der Pferde, aber auch an den zu­ständigen Amtstierarzt, zu erreichen im Landratsamt, oder die Polizei, wenden. Eine Bekannte, deren Stall und Weide an einem Spazierweg liegt, hat einen Text für besorgte Passanten verfasst, laminiert und an den Zaun geklebt. Sie hat den Lesern auf lustig-nette Art darin vermittelt, dass sich ihre Vierbeinerfrei zwischen Stall und Weide bewegen können, und darauf aufmerksam gemacht, dass sie ständig Zugang zu Futter und Wasser haben. Und sie hat gebe­ten, die Tiere auf keinen Fall zu füttern, denn so mancher wäre eh schon zu dick, und die Pferde würden sich gegenseitig unter Umständen im Streit um Leckereien verletzen. Und tatsächlich sie hat nie wieder jemanden „erwischt" oder Reste unerbetener Fütterungen gefunden. Und beschimpft hat sie auch keiner mehr, im Gegenteil.

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